Therapien der Wirbelsäule setzen sich in der Regel aus mehreren Einzeltherapien zusammen. Dieses Zusammenspiel von Therapien um die bestmögliche Wirkung zu erzielen, wird auch mit dem Begriff „multimodal“ umschrieben. Damit Ihr Orthopäde für Ihre Wirbelsäule die geeigneten Therapien zusammenstellen kann, unterteilt er als erstes Ihre Beschwerden gemäß der nationalen Versorgungsleitlinie in unspezifische (85% aller Rückenschmerzen) und spezifische Rückenschmerzen (15%). Die spezifischen Beeinträchtigungen entstehen auf Grund von Arthrose, Entzündungen, Tumoren und Bandscheibenschäden.
Therapien und Diagnosen bei unspezifischen Rückenschmerzen?
Unspezifische Beschwerden der Wirbelsäule dauern zwischen ein bis drei Wochen an und heilen folgenlos aus. Zögern Sie dennoch nicht, den Orthopäden rasch aufzusuchen. Je schneller Blockaden und schmerzhafte Muskelverhärtungen behandelt werden, desto rascher stellt sich der Erfolg ein. Ihr Orthopäde wird meist durch Begutachtung Ihres Rückens, verschiedene Funktionstests und Ganganalysen die Ursache für Ihre Schmerzen ermitteln können. Heutzutage betrachten Patienten Röntgen / MRT als selbstverständlich. Bei unspezifischen Rückenbeschwerden sind auf den Bildern oft Altersveränderungen zu sehen. Diese sind aber in der Regel nicht schuld an den Blockaden und den Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule. Gemäss wissenschaftlichen Untersuchungen verursacht die Muskulatur rund 90% der Beschwerden. Funktionsstörungen und Muskelverspannungen können bildlich nicht dargestellt werden.
Wodurch werden unspezifische Schmerzen um die Wirbelsäule ausgelöst?
Sowohl die Bandscheiben, die kleinen Wirbelgelenke (Facettengelenke), die ISG Beckengelenke (Iliosakralgelenk) als auch Bänder und Muskeln haben Einfluss auf die Stabilität der Wirbelsäule. Wenn das Gesamtsystem „Rücken“ aus dem Gleichgewicht gerät und sich dadurch die Muskeln schmerzhaft verhärten, führt dies zu Fehlhaltungen. Daraus entstehen zusätzliche Muskelverspannungen, ein Teufelskreis. Bandscheibenvorfälle sind entgegen der allgemeinen Meinung in den seltensten Fällen für Schmerzen verantwortlich.
Therapien und Diagnosen bei akuten Schmerzen der Wirbelsäule?
Nachfolgend finden Sie kurze Beschreibungen der bekanntesten akuten Rückenleiden.
Hexenschuss (Lumbago)
Das Wort Hexenschuss stammt aus dem mittelalterlichen Aberglauben, dass Hexen mit einem gezielten Pfeilschuss das Leiden auslösen. Der Hexenschuss ist zwar sehr schmerzhaft aber harmlos. Meist verschwindet er mit adäquater Therapie ohne Spätfolgen. Kommen ausstrahlende Schmerzen in den Beinen dazu, spricht Ihr Orthopäde von Lumboischialgie (Nervenschmerz Nervus Ischiadicus). Hexenschuss kann auch bei Kindern auftreten. Dies ist aber eher selten und sollte insbesondere bei wiederholtem Auftreten vom Kinderorthopäden genauer untersucht werden. Bei Kindern können Entzündungen wie die Spondylitis oder Spondylozistitis oder Spondylodiszitis, das Wirbelgleiten (Spondylolisthese) aber auch Tumore einen Hexenschuss auslösen.
Illiosakralgelenke (ISG)
Ein Ungleichgewicht der Iliosakralgelenke kann ebenfalls Schmerzen im ganzen Rücken verursachen. Die Begutachtung durch den Orthopäden ist wichtig, da neben der Funktionsstörung, welche rasch behoben werden kann, auch andere Krankheiten vorliegen können.
Schiefhals (Torticollis acutus)
Hier liegt oft eine Funktionsstörung beim Übergangen zwischen der Hals- und Brustwirbelsäule vor. Die Nerven werden bereits durch minime Verschiebung einer Zwischenwirbelsäule gereizt. Dadurch versteift sich die Muskulatur im Nacken und in den Schultern ganz ausgeprägt.
Intercostalneuralgie
Die Intercostalneuralgie (ICN) betrifft die Brustwirbelsäule. Ziehende und anhaltende Schmerzen im Bereich zwischen den Rippen führen dazu, dass die Betroffenen das Atmen soweit wie möglich zu vermeiden versuchen. Das führt zu Atemnot. Ist der Schmerz vor allem links spürbar, denken die Patienten auch an einen Herzinfarkt.
Welche Therapien helfen bei akuten Schmerzen der Wirbelsäule?
Auch wenn akute Schmerzen oft von alleine verschwinden, ist es wichtig, dass Sie Ihren Orthopäden aufsuchen. Es hat sich klinisch als sinnvoll erwiesen, Blockaden möglichst zeitnah zu lösen. Am Anfang steht die Schmerzbehandlung. Sobald diese erfolgreich ist, können weiterführende Behandlungen erfolgen. Nachfolgend die wichtigsten Behandlungsmethoden, welche in verschiedenen Kombinationen je nach Ihrem persönlichen Rückenproblem zur Anwendung kommen:
- Rasche Manipulation um den Schmerzkreis zu durchbrechen und Muskelverspannungen zu lösen.
- Wärme- sowie Elektrotherapien zum Lösen der Verspannungen
- Injektion eines Lokalanästhetikums
- Einnahme eines entzündungshemmenden und abschwellendes Medikamentes
- Verschreibung von peripher wirkenden Medikamenten zur Behandlung von schmerzhaften Muskelverspannungen
Therapien und Diagnosen bei chronischen Schmerzen der Wirbelsäule
Wenn Schmerzen über 6 Wochen anhalten, spricht Ihr Orthopäde von chronischen Rückenschmerzen. Auslöser sind Unfälle und Krankheiten.
Beckenschiefstand
Ein ganz gerades Becken ist eine Ausnahme. Meist sind ungleich lange Beine der Auslöser eines Beckenschiefstandes. Durch Muskelverspannungen, aber auch durch Unfall kann das Becken zusätzlich verschoben werden. Bis zu einem gewissen Grad ist dies kein Problem. Ist das Maß jedoch überschritten, so verkrümmt sich die Wirbelsäule seitlich um den Schiefstand auszubalancieren. Diese Wirbelsäulenverkrümmung wird Skoliose genannt. Sie kann dazu führen, dass sich die Haltemuskeln verspannen oder sich die Bandscheiben und Gelenke frühzeitig abnützen. All dies kann zu Schmerzen führen.
Rund- / Hohlrücken
Die Wirbelsäule ist nicht steif wie ein Stock, sondern weist leichte Krümmungen auf. Diese dienen dazu, Erschütterungen und Belastungen auszugleichen. Diese Krümmungen stehen in einer gewissen Balance zueinander. Ist die Balance gestört, so entsteht entweder ein Rundrücken (Hyperkyphose), ein Hohlkreuz (Hyperlordose) oder ein Flachrücken. Verschiedenste Ursachen können zu diesen Fehlbildungen führen. Zum einen kann es eine angeborene Fehlstellung sein. Verschiedene Abnutzungserscheinungen wie Spaltwirbel (Spondylolyse, vermehrter Knochenabbau im Bereich der Wirbelkörper), Wirbelgleiten (Spondylolisthese) können dafür verantwortlich sein. Daneben führen auch Krankheiten und Verletzungen zu einem Rund- / Hohlkreuz. Meist sind aber einfach Übergewicht, muskuläres Ungleichgewicht und schlechte Gewohnheiten dafür verantwortlich.
Funktionsstörung des Kiefergelenkes
Weniger bekannt ist, dass auch Funktionsstörungen des Kiefergelenkes, sogenannte Craniomandibuläre Dysfunktionen zu Schmerzen im Rücken führen können. Meist wird diese Störung durch den Zahnarzt diagnostiziert. Diese Fehlstellung sollte so rasch als möglich korrigiert werden, da sich sonst eine Vielzahl von Beschwerden, von Schwindel über Sehstörungen, Nacken- und Rückenschmerzen bis hin zu Taubheitsgefühlen in den Gliedern, einstellen können.
Osteoporose
Knochenschwund kennzeichnet sich dadurch, dass die Knochen nach und nach morsch werden. Bei der primären Osteoporose ist keine direkte Ursache auffindbar. Die sekundäre Osteoporose entsteht auf Grund von anderen Krankheiten wie rheumatischen Erkrankungen, Zuckerkrankheit, chronische Nierenschwäche oder Magen-Darm-Erkrankungen.
Fibromyalgie
Bei Fibromyalgie leiden die Betroffenen an chronischen Muskelschmerzen in der Nähe der Gelenke. Die Krankheit ist sehr schwierig zu erkennen und oft vergehen viele Jahre, bis die Diagnose gestellt ist. Meist tritt die Krankheit im mittleren Lebensabschnitt auf. Deutlich mehr Frauen als Männer erkranken daran. Auffällig sind der Selenmangel, niedrige Carnitin-Werte in den Muskeln und hohe Werte von Antikörpern gegen Serotonin. Fibromyalgie weist auch psychische Komponenten auf.
Wie werden die verschiedenen chronischen Schmerzen der Wirbelsäule behandelt?
Obschon die Ursachen für chronische Rückenschmerzen sehr unterschiedlich sind, führen ähnliche Therapien zum Ziel. Die Kombination von Therapiemethoden (multimodale Therapie) ist auch bei chronischen Schmerzen der Wirbelsäule am erfolgversprechendsten.
Diagnose – differenziert und exakt
Nur mit Hilfe der richtigen Diagnose lassen sich die Therapien so gestalten, dass der größte mögliche Erfolg eintritt.
In einem ersten Schritt wird Ihr Orthopäde Sie nach dem Verlauf der Beschwerden befragen.
Danach wird er Ihre Körperhaltung anschauen und Bewegungsabläufe prüfen.
Verschieden Arten von Funktionstests helfen gezielt und standardisiert die Funktionstüchtigkeit bestimmter Muskeln, Muskelgruppen, Sehnen oder Gelenke zu prüfen. Bei diesen Untersuchungen ist Ihr Orthopäde verpflichtet, die Untersuchungen so auszuführen, dass er die typischen Schmerzen auslösen kann. Das ist für Sie als Patient unter Umständen unangenehm, für die korrekte Diagnose jedoch wichtig.
Welche Therapien helfen bei chronischen Schmerzen der Wirbelsäule?
Auch bei den chronischen Rückenschmerzen ist die Schmerztherapie der erste Schritt.
Dazu werden zentral (im Rückenmark und Gehirn) wirkende Medikamente verschrieben. Vorteil dieser Schmerztherapie ist, dass sie deutlich weniger Nebenwirkungen auf Herz und andere Organe ausübt als peripher wirksame Medikamente. Das Erreichen der Bewegungsfähigkeit ist für die weitere Genesung von höchster Bedeutung.
Als zweiter Schritt folgt die Korrektur und Beseitigung von Fehlhaltungen. Bandagen beseitigen durch ihre Wärme- und Stützfunktion Muskelverspannungen sehr effizient. Dadurch kann sich die Muskelfunktion normalisieren.
In einem weiteren Schritt wird Ihr Orthopäde mit Ihnen zusammen eine auf Ihre Bedürfnisse abgestimmte Trainingstherapie erarbeitet. Indem Sie die vorgegebenen Übungen langfristig auch selber ausüben und sich an regelmässige Trainings gewöhnen, können Sie Ihre chronischen Rückenschmerzen deutlich lindern. Im besten Fall bleiben diese sogar ganz aus.
Übungen, z. Bsp mittels Therapieband bauen geschwächte Muskelgruppen gezielt auf und dehnen verkürzte Muskelketten, den Hüftbeuger oder stärken die Gegenmuskeln. Die Kunst Ihres Orthopäden und der Physiotherapeuten / Sporttherapeuten besteht deshalb darin, sie zu motivieren und zu begleiten, bis sich der Erfolg eingestellt hat. Spätestens von da an werden Sie auch gerne alleine die Übungen regelmäßig ausführen, weil diese ihnen gut tun.
Ihr Orthopäde wird Sie zudem einem Schmerztherapeuten überweisen. Auf Grund der zum Teil langen Schmerzgeschichte stellt die psychologische Begleitung in der Schmerztherapie ein wichtiges und von den Krankassen vorgeschriebenes zweites Standbein dar.
Weitere unterstützende Therapien sind die
- Akupunktur/Magnetfeld (PST) -Therapie
- Physiotherapie (klassische Massage / Elektrotherapie /Manuelle Therapie / Wärme)
- FPZ-Therapie
Operative Behandlungen von Schmerzen der Wirbelsäule
Nicht alle Rückenprobleme lassen sich mit konservativen Therapien behandeln. Knöcherne Einengungen wie Spinalkanalstenosen und nachgewiesenen Strukturstörungen ( z. Bsp. ein Bandscheibenvorfall), welche bereits neurologische Ausfälle wie Lähmungserscheinungen auslösen, können oft nur mittels Operation beseitigt werden. Auch bei operativen Eingriffen gilt, dass die Funktion der Wirbelsäule möglichst erhalten bleiben soll. Das bedeutet, dass nur dort operiert wird, wo die Ursache der Schmerzen liegt. Eine solche „kurzstreckige“ Beseitigung der Beeinträchtigung ist heute Standard. Dank neuen flexiblen Materialien können in vielen Fällen dynamische (bewegliche) Implantate verwendet werden. Ist die zu operierende Stelle auf Grund einer Erkrankung sehr instabil muss eine Versteifung in Betracht gezogen werden.
Die „langstreckigen“ Versteifungen der Wirbelsäule werden nicht mehr durchgeführt. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Wirbelsäule dann ihre Aufgabe des Ausbalancierens von Belastungen nicht mehr erfüllen kann und darauf wiederum mit chronischen Schmerzen reagiert.
Was sollten Sie über die Rückenoperation wissen?
In der Regel dauern Rückenoperationen zwischen ein und zwei Stunden. Am Folgetag können Sie bereits wieder kurz aufstehen. Ein stationärer Aufenthalt von fünf bis sieben Tagen ist die Regel. Sind bei der Operation keine Implantate benötigt worden, so müssen Sie mit einer Ruhephase von sechs bis acht Wochen rechnen, bevor sie mit der Rehabilitation beginnen können. Acht bis zwölf Wochen dauert die Ruhephase nach dem Einsatz von Implantaten.
Auch nach operativen Eingriffen ist es für Ihre Rückengesundheit wichtig, dass Sie die Muskeln stärken und die Beweglichkeit soweit als möglich erhalten. In jedem Fall ist das Ziel die Mobilität zu steigern und wenn möglich wieder Sportfähigkeit zu erlangen. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, müssen insbesondere die kleinen Muskeln mit Stützfunktion gefördert werden. Deshalb sollte nach der Operation gezielt und unter sportärztlicher oder physiotherapeutischer Aufsicht ein Feedback-Training stattfinden. Isometrische Muskeltestung hilft, Schwachstellen aufzudecken. Mit der 3D-Wirbelsäulenvermessung werden Fehlhaltungen dargestellt und Trainingsfortschritte dokumentiert und damit das Training effektiv unterstützt.
Geeignet ist das bundesweit verfügbare FPZ-Konzept, das von den meisten Krankenkassen übernommen wird. Nach Eingangsmessung und 18-24maliger Trainingstherapie wird die Messung am Schluss wiederholt. Somit haben Sie eine Kontrolle des Therapieergebnisses.
Zusammenfassend: Haben Sie Mut zur aktiven Problemlösung Ihrer Rückenschmerzen. Ihr Orthopäde unterstützt Sie und Ihre Wirbelsäule gerne mit Rat und Tat.
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